Diskurswerkstatt mit Dr. Laura Dornheim

Austausch über digitale Teilhabe und die Digitalisierungsstrategie

Am 04. Juli 2023 hatten wir das Vergnügen, Dr. Laura Dornheim bei unserer zweiten Diskurswerkstatt zu begrüßen. Dr. Dornheim ist seit September 2022 Leiterin des IT-Referats der Landeshauptstadt München und als Chief Digital Officer (CDO) für die Weiterentwicklung und Umsetzung der stadtweiten Digitalisierungsstrategie verantwortlich. Das Thema der Runde war die Digitalisierungsstrategie der LHM und die Frage nach digitaler Teilhabe in einer Großstadt wie München, das Gespräch fand im Haus der Jugendarbeit und hybrid via Webex statt.

Impuls von Laura Dornheim

Die Digitalisierungsstrategie der LHM ist eine dynamische Strategie, die regelmäßig aktualisiert wird und verantwortungsbewusst zum Wohl der Stadtgesellschaft eingesetzt werden soll. Sie wird jährlich im Stadtrat diskutiert und seit 2022 auch mit öffentlicher Beteiligung weiterentwickelt. Die LHM bietet verschiedene digitale Formate an, um die Beteiligung aller Bürger*innen und städtischen Akteur*innen zu ermöglichen. Diese Formate werden sowohl für formale Prozesse wie Anhörungen von Beteiligten als auch für informelle Prozesse wie Ideenentwicklung und Meinungsbildung genutzt. Darüber hinaus unterstützt die LHM Bürger*innen, Initiativen und Vereine bei der Digitalisierung ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Insgesamt soll der digitale Bildungsstand der Bevölkerung verbessert und die digitale Kluft verringert werden. Das übergeordnete Ziel besteht darin, allen Menschen den Zugang zur digitalen Gesellschaft zu ermöglichen. Dafür ist ein grundlegendes Verständnis für die Digitalisierung in der Gesellschaft erforderlich.

Dr. Dornheim stellt die zentrale Frage: Wie können wir die Menschen in der Stadt dazu befähigen, die Digitalisierung zu nutzen? Die strategischen Prinzipien des IT-Referats umfassen Aspekte wie Informationssicherheit, Datenschutz, Offenheit, Transparenz, Nachhaltigkeit, Gleichstellung, Inklusion, Diskriminierungs- und Barrierefreiheit, Kund*innenorientierung und digitale Souveränität.

Nachdem Dr. Dornheim verschiedene Handlungsfelder der Digitalisierung identifiziert hatte, wie Infrastruktur, Mobilität, Klima, Umwelt, Gesundheit, Sicherheit, Arbeit, Wirtschaft, Bildung und Kultur, ging sie speziell auf das Handlungsfeld Gemeinschaft und Teilhabe ein. Das Ziel ist hier, die digitale Beteiligung der Stadtgesellschaft zu fördern, allen Menschen die Teilhabe am digitalen Fortschritt zu ermöglichen, die digitale Arbeit des Stadtrats und der Bezirksausschüsse, sowie zivilgesellschaftliches Engagement digital zu unterstützen. Als beispielhafte Maßnahme nannte Dr. Dornheim das Projekt “WerkSTADT digitales München”, das dazu beiträgt, die digitalen Möglichkeiten der Stadtverwaltung zu entdecken und gemeinsam zu gestalten. Durch aktives Feedback von Bürger*innen zu digitalen Prototypen von Online-Diensten soll sichergestellt werden, dass diese zielgruppengerecht gestaltet werden. Eine weitere Maßnahme sind zielgruppenspezifische Schulungs- und Bildungsangebote, wie die “Digitale Hilfe” vom Münchner Medienzentrum (MZM) und KulturRaum München, die kostenlose Unterstützung im Bereich Internet und digitale Medien bieten. Bestehende Angebote wie der “DiF Digitalführerschein” von DsiN – Deutschland sicher im Netz wurden ebenfalls aufgegriffen und verstetigt.

Bis 2025 strebt die Stadt München an, eine zukunftsorientierte und nachhaltige Metropole zu sein, die die Digitalisierung aktiv und verantwortungsbewusst zum Wohl der Stadtgesellschaft einsetzt.

Eine vollständige Übersicht über die Ziele und Strategien findet sich unter radar.muenchen.digital, die Slides von Laura Dornheim stehen zum Download bereit.

Diskussionsrunde

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich auf die Frage, wie digitale Teilhabe für möglichst viele Menschen und Akteur*innen erreicht werden kann und welche Schnittstellen zwischen dem IT-Referat der LHM und städtischen Akteur*innen bestehen werden. Es wurde über die digitale Teilhabe an Schulen und die Verteilung finanzieller Mittel für digitale Projekte gesprochen.

Eine zentrale Frage war, wie städtische Akteur*innen mit der Stadt in den Dialog treten können. Die öffentliche Beteiligung an der Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategie der LHM war 2022 noch begrenzt. Dadurch wurde kein umfassendes Bild der Stadtgesellschaft abgebildet. Stattdessen beteiligten sich hauptsächlich Vertreter der Mittelschicht, die digital versiert und zeitlich flexibel sind. In diesem Jahr strebt man bewusst eine größere und vielfältigere Beteiligung an.

Die Stadt München hat klare Ansprechpartner für Wirtschaft und soziale Träger, aber im Bereich der digitalen Zivilgesellschaft herrscht noch Unklarheit darüber, wer darunter fällt und wer die Ansprechpartner bei der Stadt sind. Um die verschiedenen städtischen Digitalisierungsprojekte zu koordinieren, werden alle IT- und Digitalisierungsausgaben im IT-Referat gebündelt. Eine Koordinierungsstelle für digitale Teilhabe wird eingerichtet und ein Digitalrat ins Leben gerufen, der verschiedene Initiativen zusammenbringt und Input aus der Stadtgesellschaft einholt und in diese zurück trägt. Der Digitalrat soll als Schnittstelle für die gesamte Stadtgesellschaft dienen und verschiedene Perspektiven einbeziehen – sowohl die von Expert*innen als auch die vielfältigen Perspektiven von Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wie Schüler*innen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung. Es ist wichtig, dass alle Akteur*innen voneinander wissen, um Doppelarbeit zu vermeiden und parallel laufende Prozesse zu koordinieren.

In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wie der Digitalrat in die Verteilung digitaler Gelder einbezogen werden kann. Es wurde nach dem Verbleib der Mittel für digitale Teilhabe gefragt und ob Interaktiv oder Referate die Menschen in diesem Bereich beraten können. Dr. Laura Dornheim stellte fest, dass in den diesjährigen Haushaltsverhandlungen keine Mittel für digitale Teilhabe bereitgestellt werden konnten und der Digitalrat bisher über kein eigenes Budget verfügt. Sie setzt sich jedoch dafür ein, dass in Zukunft Mittel für digitale Teilhabe zur Verfügung gestellt werden.

Es wurde der Wunsch geäußert, die Interaktion mit dem IT-Referat zu verbessern, um bestehende Angebote besser in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Es gibt viele Ideen, Konzepte und Anbieter*innen in der Stadt, die sichtbarer gemacht und finanziell unterstützt werden sollten. Die Projekte erreichen oft nur relativ wenige junge Menschen und es fehlt an finanziellen Mitteln für die Umsetzung neuer Ideen und die Fortführung bestehender Projekte. Es wurde angemerkt, dass zunächst die Eigenbetriebe vom IT-Referat versorgt werden, während städtische Töchter nur bei ausreichender Kapazität mitversorgt werden können. Allerdings fehlen derzeit die Kapazitäten.

Anschließend wurde darüber gesprochen, inwieweit städtische Schulen in Bezug auf Digitalisierung autonom handeln können oder sich nach den Vorgaben des Freistaats richten müssen. Die Bildungspolitik ist Ländersache und der Freistaat Bayern hat die Entscheidungsgewalt. Obwohl Lösungen für digitales Lernen angeboten werden, kommt digitale Bildung in Schulen oft aufgrund von Ressourcen- und Kapazitätsmangel zu kurz. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Zugang zu außerschulischen Projekten digitaler Bildung oft auf Kinder aus dem Bildungsbürgertum beschränkt ist. Es müssen Konzepte entwickelt werden, um diese Probleme anzugehen. Aktuell ist zudem die Verwaltungs-IT besser aufgestellt als die Bildungs-IT. Dr. Dornheim arbeitet derzeit mit dem RBS zusammen, um hier eine Veränderung herbeizuführen.

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass es bei all den wertvollen existierenden Angeboten an einem umfassenden Konzept für die gesamte Stadt mangelt. Eine Strategie zur Zusammenführung der Potentiale der Stadt fehlt. Ein flächendeckendes Konzept für das Aufwachsen in der digitalen Stadt München sollte entwickelt werden. Es wurde die Forderung nach Modellprojekten laut, um Medienkompetenz in der Breite zu fördern und das Medienvakuum in allen Schulen für alle Lernenden zu füllen.

Die ursprüngliche Vision 2025 zur Digitalisierung der LHM soll laut Dr. Dornheim auf einen längeren Zeitraum erweitert werden. Einzelne Akteure sollen unterstützt werden, um Gehör beim Kämmerer zu finden und Lobbyarbeit in der Kommunalpolitik zu leisten. Derzeit gibt es nur wenige Interessenten für den Digitalisierungsausschuss und die Digitalkompetenz in der Politik ist noch gering. Dr. Dornheim betonte jedoch die Wichtigkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, da es für unsere Demokratie von entscheidender Bedeutung ist und wir die Bereitschaft zur Teilhabe nicht verlieren dürfen. Daher sollte die Kommunalpolitik das Thema Digitalisierung und Digitalkompetenz verstärkt auf die Agenda setzen.

(Text: Mona Klöckner; Fotos: Sophia Kiehlmann)

 

Hintergrund

Die Diskurswerkstätten sind ein neues Format des Netzwerks Interaktiv, mit dem wir einen Austausch über verschiedene Aspekte der Digitalisierung anregen. Gemeinsam mit verschiedenen Gästen werden wir unterschiedliche Themenschwerpunkte erörtern und eine Standortbestimmung der Akteur*innen unseres Netzwerks erarbeiten.

Bei der ersten Diskurswerkstatt widmen wir uns der Frage, wie sich die Veränderungen der fortlaufenden Digitalisierung auf unsere Stadtgesellschaft im Gesamten und auf zentrale Einrichtungen auswirken. Dies erörterten wir zusammen mit Dr. Roland Poellinger (Leiter der Abteilung eServices bei der Münchner Stadtbibliothek), die Dokumentation ist hier verfügbar.

Die Diskurswerkstätten werden veranstaltet von Interaktiv, dem Münchner Netzwerk Medienkompetenz, im Auftrag der Landeshauptstadt München.

 

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