Zivilgesellschaftliches Engagement für eine Kultur der Digitalität fand am 14. November 2023 im Rahmen des Dialogforums Kulturelle Bildung im Literaturhaus statt. Das Dialogforum beschäftigte sich mit generationsübergreifenden Ansätzen in der Kulturellen Bildung unter dem Motto “Gemeinsam hier und jetzt – Generationen zusammenbringen”.
Hierfür wurden drei zivilgesellschaftliche Organisationen eingeladen (Digitalcourage e.V., CCC, Freifunk München), die sich mit Fragen der Veränderung von Gesellschaft, Kultur und Kommunikation beschäftigen und sich für ein gerechte, transparente, offene und zugängliche digitale Kultur einsetzen.
Die Moderation der Veranstaltung übernahm Wolfgang Haber, der Datenschutzbeauftragter des Kreisjugendring München-Stadt. Die Fachstelle Medien und Technologie (MuT) des KJR ist damit betraut, die digitalen Themen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit weiterzuentwickeln. Um dies zu gewährleisten, berät die Fachstelle in allen Belangen rund um Medien und Technik und konzipiert Projekte für Kinder und Jugendliche zur Förderung der Medien- und Digitalkompetenz.
Die Akteur*innen von den NGOs gaben Einblicke in ihre Zielsetzungen, ihre zentralen Fragestellungen und ihr gemeinnütziges Engagement. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden der Diskurswerkstatt über Gelingensbedingungen und Voraussetzungen für digitale Teilhabe, Souveränität und Kompetenz aller Generationen.
Die Vertreter*innen der Institutionen und ihre Visionen
Digitalcourage e.V. – Lena Simon, Autorin „Digitale Mündigkeit“
engagiert sich seit 1987 für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. Technik soll sinnvoll gestalten und nicht zur Manipulation eingesetzt werden. Der Verein versteht sich als Übersetzungsschnittstelle zwischen „Nerds“ und „der Gesellschaft“. Ein wichtiges Leitmotiv sind die gestalteten Rahmenbedingungen unter den Themenaspekten der Demokratie und Freiheit. Dabei ist der Datenschutz eine wichtige Voraussetzung, um an einer freien Gesellschaft teilhaben zu können. Digitale Bildung, digitale Selbstverteidigung und Teilhabe an der Gesellschaft sind wichtige inhaltliche Eckpunkte.
Der Chaos Computer Club e.V. (CCC), Robert Helling (CCC München)
ist die größte europäische Hackervereinigung und seit über dreißig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Prinzipien sind u.a. „Private Daten schützen, öffentliche Daten nutzen“ (Datenschutz, öffentliche Dateien nutzen zum gesellschaftlichen Vorteil). Weitere Punkte sind in der Hackerethik im CCC formuliert.
Freifunk München, Tobias McFadden
ist eine nichtkommerzielle Initiative für den Aufbau freier (Funk-)Netze sowie von Kommunikationskanälen. Ihr Ziel ist der Aufbau und Betrieb eines freien und unabhängigen WLAN-Netzes in und um München, um eine niederschwellige Vernetzung sicherzustellen.
Digitale, selbstbestimmte Teilhabe bleibt eine große Herausforderung
Durch die schnelle Veränderung in der digitalen Welt ist es eine große Herausforderung, der digitalen Teilhabe gerecht zu werden. Trotz weit verbreiteten Zugangs zu Internetendgeräten und hoher Bedienerkompetenz fehlt vielen Menschen ein grundlegendes Verständnis sowohl für Hardware – z.B. die Konfiguration – als auch für Software (Funktionsweise von Cookies). Somit entsteht eine große Kluft zwischen Personen, die das Wissen haben und denen , die nur als Anwender*innen fungieren oder gar völlig ausgeschlossen sind. Somit sind viele Menschen den Gesetzen des Überwachungskapitalismus ausgeliefert. Um digitale Kompetenz weiterzuentwickeln, ist es entscheidend, mehr Anwender*innen über bloße Bedienungskompetenz hinaus zu fördern. Anwendungskompetenz umfasst nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch die Fähigkeit, kritisch zu denken, komplexe Probleme zu lösen und ethische Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es darum, ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen und Zusammenhänge der Technologie zu erlangen.
Zudem birgt die KI-Technologie Diskriminierungspotenzial, das thematisiert werden sollte.
Technologische Integration: Gesellschaftliche Anpassung für digitale Kompetenz
Für eine zukunftsfähige digitale Gesellschaft sind klare Rahmenbedingungen für Demokratie und Datenschutz erforderlich. Technik sollte so gestaltet werden, dass ein mündiger Umgang möglich ist, inklusive digitaler Selbstverteidigung und selbstbestimmter Teilhabe. Der Schutz privater Daten und die Nutzung öffentlicher Daten nach dem Prinzip „Public Money, Public Code“ sind wesentliche Aspekte einer unabhängigen digitalen Infrastruktur. Dabei ist die Nutzung freier Netze, Software und offener Formate unerlässlich. Dafür muss der Zugang zu Technik, Netzwerken und dem Internet weiter gefördert und dringend ausgebaut werden. Die Förderung von Medienkompetenz, besonders bei vulnerablen Teilen der Gesellschaft wie Kindern und Senior*innen, sollte mehr Raum und Zeit erhalten.
Zugang und Bildungsmöglichkeiten verändern das negative Verständnis für neue Technologien und ermöglichen, Technologie als Fortschritt zu begreifen. Zwei wesentliche Aspekte sind die Nutzung freier, nicht-proprietärer Software in der Verwaltung und in Schulen sowie die Integration digitaler Bildung im Unterricht.
IT-Bildung sollte fächerübergreifend verstanden und genutzt werden. Lehrkräfte müssen das Potenzial digitaler Bildung erkennen und umsetzen. Oftmals fehlt jedoch das nötige Fachwissen, weshalb die Unterstützung junger Menschen im Prozess einer ethischen Bewertung wichtig ist. Medienbildung und Medienkompetenz sind für alle Beteiligten entscheidend und können nur durch gemeinsame Anstrengungen erreicht werden. Die Politik muss Rahmenbedingungen für Schulen schaffen, um dem Überwachungskapitalismus entgegenzuwirken. Zivilgesellschaftliches Engagement in der außerschulischen Bildung sollte unterstützt werden.
Die Attraktivität alternativer Plattformen kann durch bessere Usability und eine Willkommenskultur für Neulinge gesteigert werden. Hürden für Anmelde- oder Wechselprozesse müssen gesenkt werden, um die Komplexität des Einstiegs zu verringern. Nutzer*innen sollten die Wahlfreiheit als Chance erkennen, da dies langfristig der Schlüssel zum Erfolg ist.
Für erfolgreiche Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern sind zusätzliche Ressourcen notwendig. Zeitliche, personelle und räumliche Ressourcen sowie der Mut, neue Wege zu gehen, sind wichtig. Türöffner und Netzwerker, die den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren fördern, sind unerlässlich.
Politischer Aspekt
Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger*innen der Politik für digitale Entwicklungen zunimmt. Das gestiegene Interesse der Politik spiegelt laut den Teilnehmenden jedoch noch nicht die Relevanz und Wichtigkeit von Medienbildung und digitaler Bildung wider, die sie in Wirklichkeit verdient.
NGOs berichten, dass sie oftmals erst im Nachhinein staatliche Stellen in Projekte miteinbeziehen, aus Sorge, diese könnten sie im Vorhinein, durch fehlendes Einverständnis und Zustimmung, in ihrem Vorhaben behindern. Kommt es zu einer Zusammenarbeit, fallen Projektkooperationen mit staatlichen Stellen meist aufgrund der veralteten (digitalen) Strukturen in den öffentlichen Verwaltungen schwer.
Langfristig wäre aber der Wunsch da, dass Politik und staatliche Ämter im besten Fall als Schnittstelle zu Bildungsträgern fungieren könnten. So wäre es möglich, den Zugang zu Medienbildung für eine größere Reichweite von Menschen, die sonst nicht erreicht werden würden, herzustellen.
Abschließend wurde betont, dass digitale Bildung ein Lernfeld ist, das Generationen zusammenbringt. Digitalisierung bewegt sich auf einem hohen Niveau, und es ist wichtig, unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu berücksichtigen, um alle mitzunehmen und niemanden zu entmündigen. Das Vermitteln digitaler Fähigkeiten ist wichtiger denn je für die gesamte Gesellschaft.
Hintergrund
Die Diskurswerkstätten sind ein neues Format des Netzwerks Interaktiv, mit dem ein Austausch über verschiedene Aspekte der Digitalisierung angeregt wird. Gemeinsam mit verschiedenen Gästen werden unterschiedliche Themenschwerpunkte erörtert und eine Standortbestimmung der Akteur*innen des Netzwerks erarbeitet.
Die Diskurswerkstätten werden veranstaltet von Interaktiv, dem Münchner Netzwerk Medienkompetenz, im Auftrag der Landeshauptstadt München.