Was ist Inklusion und was haben Medien damit zu tun? – Dr. Jan-René Schluchter
Nach der Begrüßung durch Sebastian Ring eröffnete Dr. Jan-René Schluchter (PH Ludwigsburg) den Vormittag mit einem Vortrag zu dem Thema „Was ist Inklusion und was haben Medien damit zu tun“. Dr. Jan-René Schluchter stellte den aktuellen Forschungsbereich vor, bei dem die Frage untersucht wird, welche Perspektive Medienbildung für Inklusion bietet. Dies soll durch Powerland Praxis, mobile learning und Sprachförderung geschehen. Der Fokus liegt hierbei auf der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, wobei die Frage nachgegangen wird, welche Potentiale es gäbe. Den Ausgangspunkt bildet eine heterogene Gruppe, da Studien ergaben, dass Jugendliche (nicht behinderte wie behinderte) oft die gegenseitigen Lebenswelten nicht kennen. Im Vordergrund stehe Erfahrung mit anderen zu machen und sich selbst in einer neuen Rolle erleben, wodurch in solchen Projekten Bildungsprozesse angestoßen werden. Bei der Ressourcenorientierung wird an den Interessen der Teilnehmer angesetzt, wodurch die Teilnehmer die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren Interessen und Stärken einzubringen. Darüber hinaus finde eine Individualisierung statt, da bei Inklusion der/die Einzelne entscheidet mit wem, wann und wo er/sie arbeiten möchte. Wichtig für ein heterogenes Setting ist hierbei die Möglichkeit der experimentellen Zugangs- und Umgangsweisen, die wiederum demokratische Prozesse etablieren.
Inklusion und Sprachförderung durch Mobile Learning – Daniel Trüby
Anschließend zeigte Daniel Trüby (PH Ludwigsburg) die Umsetzung der vorher beschriebenen Theorie anhand eines aktuellen Projekts, in dem Inklusion und Sprachförderung sehr gut durch mobile Learning funktionieren. In Seligenstadt (Rumänien) entstehen in einem Camp innerhalb von 10 Tagen Kurzfilme von 10 Minuten, die Kinder mit Deutsch als Fremdsprache (aus Ländern wie Serbien, Kroatien, Rumänien) mit Hilfe von Tablets selbst produzieren. Die Produktion findet komplett auf Deutsch statt. Hier entstehen authentische und lustvolle Sprechanlässe und je nach Sprachstand nehmen die Kinder verschiedene Rollen ein, die anfangs auch öfter getauscht werden. Daher ist es auch möglich, eine sprachliche Differenzierung entlang der Aufgaben zu gewährleisten. Ziel ist es, Struktur zu schaffen und Kreativität zuzulassen.
Praxisimpulse
„Menschen mit Behinderung sind keine Aliens“ – Maximilian Dorner
Weiter ging es mit Erfahrungen aus der Praxis zunächst mit Maximilian Dorner. Er arbeitet im Kulturreferat München und ist selbst auf den Rollstuhl angewiesen. Anhand des Satzes „Menschen mit Behinderung sind keine Aliens“ zeigt er auf, dass die Lebenswelten nicht so unterschiedlich sind bzw. man nicht klar nur von den zwei Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderung sprechen kann. Es müssen vielmehr Fragen über die Barrierefreiheit hinaus geklärt werden, um kreativ mit evtl. verschiedenen Lebenswelten umzugehen.
Was würde MacGyver tun? – Fabian Heller
Anschließend berichtet der Pädagoge Fabian Hella von seiner Arbeit im MOP, einem integrativen/inklusiven Jugendtreff für Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren. Er arbeitet mit den drei Leitsätzen: 1. Eine Behinderung ist etwas verdammt individuelles, 2. Inklusion ist kein Dogma und 3. Was würde MacGyver tun? Somit zeigte er auf, dass keine Behinderung wie die andere ist, Inklusion vor allem Akzeptanz bedeutet und man jeden Tag vor neue Herausforderungen gestellt ist und mit dem, was man hat, kreativ werden muss.
Inklusion ist eine Frage der Haltung und des Könnens – Sophia Pauke
Einen weiteren Einblick schafft Sophia Pauke von Spielratz e.V., der hauptsächlich von Ehrenamtlichen getragen wird. Hier werden in den Ferien Wochen- und Tagesfreizeiten angeboten zum Thema Film, Trickfilm, Foto und Radio. Ihrer Erfahrung nach zeigt sich bei Medienprojekten, dass eine Gruppe gut zusammen arbeiten muss, es die Möglichkeit gibt verschiedene Rollen einzunehmen und dadurch Grenzen verschoben werden können. Eine große Herausforderung stellt die sorgfältige Planung im Vorfeld dar sowie das Bestehen eines ständigen Spannungsverhältnisses zwischen den Gruppenmitgliedern. Somit sei ihrer Meinung nach Inklusion eine Frage der Haltung und des Könnens.
Viel erreichen über ein freundschaftliches Miteinander – Helmut Obst
Den letzten Praxisimpuls setzte Helmut Obst von der Stiftung Pfennigparade. Zu dieser gehören Schulen, Wohnheime und vor allem eine barrierefreie Bibliothek mit online-Möglichkeit. Besonderer Wert sei der aufmerksame Umgang und das freundschaftliche Miteinander dort. Es gibt ein zahlreiches Veranstaltungsangebot, wie ein Spiel- und Basteltreff, ein Kindertheater und das Kulturforum. Herr Obst gab noch einen Ausblick über die weiteren Vorhaben, wie die Schaffung von Veranstaltungsräumen und dem Café: „Forum am Luitpold“.
Diskussion: Von fehlenden Rolemodels und Erfahrungsräumen
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde v.a. das Fehlen von Rolemodels weltweit von Menschen mit Behinderung, z.B. Anwalt im Rollstuhl, bemängelt. Nur im Sport sei dies bereits einigermaßen gelungen. Auch wurde noch einmal festgehalten, dass Inklusion Wissen und Erfahrungsräume braucht, sodass Menschen sich kennenlernen können und es bei Inklusion v.a. um Teilhabe und Akzeptenz ginge.
Workshops
Minecraft
Fotos: Eva Jünger
Nach dem theoretischen Input wurden drei Praxisworkshops angeboten: Minecraft, we are makers MUC #3 und Youtube. Das Computerspiel Minecraft wurde als Beispiel zur inklusiven Medienpädgogik vorgestellt, da das Programm verschiedene Formen der Teilhabe zulässt und nicht alle am PC sitzen müssen. Nach einem allgemeinen theoretischen Input zur Arbeit mithilfe von inklusiver Medienpädagogik mit Jugendlichen wurde das Computerspiel vorgestellt. Anschließend hatten die Teilnehmer selbst die Möglichkeit, sich in diesem Spiel auszuprobieren.
we are makers MUC #3
Fotos: Eva Jünger
Bei we are makers MUC #3 wurde gebastelt und ausprobiert mit simplem Material wie Karton und Kleber sowie den „littleBits“, die die Figuren bzw. Teile einer gebastelten Figur zum Bewegen bringen. Man kann Sensoren anfügen, die auf AkustikSignale reagieren oder auch vibrieren – der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt.
Youtube
Der Workshop zum Thema Youtube gab einen Einblick darüber, wie Youtube-Stars arbeiten und Geld verdienen. Es wurde die Frage diskutiert, welche Möglichkeiten diese Plattform für behinderte Menschen bietet. Im praktischen Teil konnten die Teilnehmer selbst ein Video mit einer Handkamera drehen.
Best Practice – Vorstellung verschiedenster Projekte
Fotos: Medienzentrum München
Am späten Nachmittag wurden Modellprojekte, die durch das Kooperationsprojekte-Förderprogramm von Interaktiv und Stadtjugendamt gefördert wurden, vorgestellt. Alle Projekte haben das gemeinsame Ziel, Mechanismen der sozialen Ausgrenzung entgegenzuwirken. Aktuell findet eine Medienkompetenzverschiebung statt, das heißt Kinder erklären Eltern die Medien, wodurch oft ein peer-to-peer Ansatz in den Projekten gewählt wird. Die Arbeit mit Flüchtlingen basiert darauf, dass die meisten ein Smartphone besitzen und dieses eines der wenigen Dinge ist, das sie dabei haben sowie ein Kommunikationsmittel in die Heimat darstellt.
Bei dem Fotoprojekt mit Flüchtlingskindern zum Thema „(wie) siehst du das?“ wurde eine Einführung in die Technik der Fotografie gegeben und über den Umgang mit den gemachten Bildern (auch beim hochladen auf Facebook) gesprochen. Das Projekt bietet Chancen durch seine Niederschwelligkeit, um verschiedene Themen zu behandeln (Mobbing, neue Heimat) und liefert spielerisch neue Lösungsmöglichkeiten. Es entstanden noch weitere Projekte zum Thema „Zusammen aktiv im Internet“, Nachhaltigkeit und Umweltbildung bei „opflanzt interactive“, eine digitale Schnitzeljagd bei „Kunst meets augmented reality“, ein City guide for refugees auf facebook, das Projekt „Kino Asyl“, bei dem Flüchtlinge ihre Lieblingsfilme zeigen, u.v.m.
Fluch und Segen der Medien – Eröffnung und get together
Fotos: Marco Zielske
Der Abend wird mit mit der Begrüßung von Dr. Arne Ackermann (Direktor der Stadtbibliothek) eingeleitet. Es folgt ein Grußwort von Heimo Liebich (Stadtrat und Sprecher des Netzwerks Interaktiv). Er betont, Chancengleichheit müsse gestärkt werden, da eine Gesellschaft so gut sei, wie die Menschen, die sie gestalten und prägen. Hier sieht er eine Chance in den Medien, da diese Kommunikation auch über Grenzen hinweg ermöglichen.
„Bilder nehmen wir intravenös auf“ – Prof. Dr. Christian Schicha
Der Impulsvortrag durch Prof. Dr. Christian Schicha (FAU Erlangen) behandelte das Thema Flucht und Flüchtlinge in den Medien und gab Einblicke über die Dynamiken und Interaktionen in medienethischer Perspektive. Er verwies auf den ständigen Zwiespalt, in dem sich die Berichterstattung befinde hin und zwar dem Kommerzmodell und der investigativen Berichterstattung. Er zeigte die verschiedenen Akteure, wie Politiker, Journalisten, Betroffene, Blogger, Künstler, der Flüchtlingsdebatte anhand von Ausschnitten des heute journals und Zeitungsausschnitten. Darüber hinaus betonte er die Relevanz von Bildern (Bild schlägt Wort, Emotionalisierung) mit Hilfe eines Zitats von Winfried Schultz: „Während die Wortnachricht erst durch den Verdauungstrakt der kognitiven Informationsverarbeitung gehen muss, nehmen wir Bilder intravenös auf“. Außerdem wies er auch auf die von der Presse verwendeten Angstmetaphern hin, wie Flüchtlingswelle, -strom, -krise, Völkerwanderung, Zuzug von Terroristen, Massive Überlastung, Kontrollverlust. Abschließend fasste Herr Schicha zusammen, was für ihn guter Journalismus sei, nämlich Hintergründe aufzeigen, Ursachen erforschen, Expertisen nutzen, Profiteure benennen und ein selbstkritischer Umgang.
Impressionen