Wie sieht queere Jugendmedienarbeit aus? Welche Voraussetzungen braucht es, um queere Menschen in unserer Gesellschaft zu unterstützen und zu stärken? Welche digitalen Räume gibt es für die queere Community und welchen Beitrag kann die Medienpädagogik in Hinblick auf die queere Jugendmedienarbeit leisten?
Fragen wie diese haben wir uns beim Mediensalon „Queere Jugendmedienarbeit“ am 02. Oktober gestellt. An der fünfköpfigen Talkrunde, die in den Räumlichkeiten des diversity München e.V. stattfand, nahmen verschiedene Akteur*innen der Medienpädagogik und der queeren Community teil:
- Ju von diversity München e.V.
- Annina und Leonie von Strong! Der LGBTQI* Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt (Sub – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e.V.)
- Chiara von der LeTRa Beratungsstelle (LesCommunity e.V.)
- Steff vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
Veranstalter: Der Mediensalon wurde vom Netzwerk Interaktiv in Kooperation mit dem Kulturforum der Sozialdemokratie organisiert.
Zusammenfassung des Talks
Was ist queere Jugendarbeit?
Steff sieht queere Jugendarbeit als Möglichkeit der Befähigung junger Menschen. Grundlage dessen bildet die Auseinandersetzung mit der Lebensrealität von Jugendlichen. Ju betont, dass queere Jugendarbeit auf die spezifischen Bedürfnisse queerer Jugendlicher eingeht, die oft Menschen mit ähnlichen Vorstellungen und Erfahrungen suchen und einen diskriminierungsfreien Ort in ihrer Freizeit benötigen. Ein zentrales Ziel der queeren Jugendarbeit ist laut Chiara das Empowerment und die Sichtbarmachung der Perspektiven queerer Jugendlicher. Ein Beispiel in der Stadt München stellt das Jugendzentrum von diversity e.V. dar, das neben Freizeitaktivitäten auch Beratung, Aufklärung und Fortbildungen anbietet. Leonie hebt hervor, dass im ländlichen Raum allerdings Angebote oftmals fehlen und hier digitale Plattformen wichtige Unterstützung bieten können. Darüber hinaus beschreibt Chiara, dass für das Gelingen von Jugendmedienarbeit die Fortbildung pädagogischer Fachkräfte essenziell ist. Derartige Fortbildungsangebote gibt es bspw. bei LeTRa Beratungsstelle (LesCommunity e.V.).
Warum braucht es spezielle Angebote?
Leonie erläutert, dass queere Jugendliche „safer spaces“ brauchen, da sie sich nach diskriminierungsfreieren Orten und mehr Zugehörigkeit sehnen. Steff ergänzt, dass queere Menschen sich oft unwohl in klassischen Strukturen wie z.B. Sportvereinen fühlen, wo sie ihre Identität häufig verstecken müssen. Ein Beispiel stellt das Projekt „Queer Things“ dar, das queeren Menschen Raum für Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten sowie Kulturformate bietet.
Wie können wir Jugendliche erreichen?
Ju sieht Schulen als einen wichtigen Ort an, um queere Jugendliche zu erreichen und Informationen breit zu streuen. Sie merkt an, dass digitale Öffentlichkeitsarbeit derzeit eher schwierig ist, da Aufrufe und Programmankündigungen auf Webseiten & Co. oft nur einen Bruchteil an Menschen erreichen. An dieser Stelle könnten allerdings Social Media-Plattformen wie TikTok anknüpfen, da sie schneller und weitläufiger Jugendliche erreichen. Leonie ergänzt, dass Beratungsangebote oft nicht wahrgenommen werden und es hier eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit bedarf. Die Erreichbarkeit von Jugendlichen ist grundsätzlich zu diskutieren. Steff merkt an, dass queere Jugendliche oft keine Ansprechpersonen finden und daher diskrete Info-Angebote an wenig sichtbaren Orten (z.B. auf Toiletten) nützlich wären. Neben einer unscheinbaren Platzierung ist aber auch die offensichtliche Platzierung von Infos hilfreich. So verweist Chiara auf die Auszeichnung „Offen für ALLE – hetero, schwul, lesbisch, bi, trans“ hin, die Einrichtungen der Jugendarbeit erwerben und als Zeichen der Offenheit in ihren Räumlichkeiten platzieren können, um queere Jugendliche anzusprechen.
Was macht eine zeitgemäße Medienpädagogik aus?
Steff betont, dass für eine zeitgemäße Medienpädagogik sowohl Technik (z.B. Hard- und Software) als auch Inhalte (z.B. Projekte) relevante Parameter sind. Inhaltlich bildet aktuell Social Media ein Schwerpunkt in der queeren Jugendmedienarbeit. Denn mithilfe von sozialen Plattformen wird Vernetzung, Informationsaustausch und Empowerment gefördert. So bietet bspw. diversity e.V. die Möglichkeit an, ihre Social-Media-Kanäle partizipativ mit Jugendlichen zu bespielen.
Welche Chancen bieten digitale Räume?
Für Leonie bieten digitale Räume Möglichkeiten der Anonymität, der Offenheit und für spielerisches Ausprobieren. Chiara hebt hervor, dass queere Vorbilder, oft medial wahrgenommen werden und besonders wichtig sind, wenn es keine Vorbilder im unmittelbaren Umfeld gibt. Steff weist auf das Potential von „digital streetwork“ hin, mit dem z.B. niederschwellig Beratungsmöglichkeiten dargeboten werden können. Darüber hinaus bietet das Internet eine Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten an, welche gleichzeitig zum Hinterfragen von Stereotypen und Rollenbilder anregen. Bei Betrachtung der Schattenseiten des Internets erwähnt Leonie, dass es auch viele Ängste gibt. So können bspw. digitale Räume nicht vollständig gesichert werden. Gerade dafür braucht es aber mehr Anlaufstellen. Annina nennt als Beispiel die Fach- und Meldestelle „Strong!“, die Betroffene von digitaler Gewalt und Diskriminierung nutzen können.
Wünsche für die Zukunft
Aninna wünscht sich, dass die Meldestelle „Strong!“ überflüssig wird, denn das würde bedeuten, dass es Gewalt gegenüber queeren Menschen nicht mehr geben würde. Ju hofft, dass „safer spaces“ irgendwann fester Bestandteil in der Gesellschaft sind und nicht mehr als gesonderter Raum für queere Menschen wahrgenommen werden. Chiara plädiert für eine flächendeckende Infrastruktur, damit queere Menschen jederzeit Zugang zu Unterstützungsangeboten haben. Steff wünscht sich mehr Offenheit in der Gesellschaft, sieht das jedoch angesichts aktueller, gesellschaftlicher Entwicklungen kritisch.