Am 26. Februar trat die Jury zusammen, um über die Förderung der diesjährigen Frühjahrsausschreibung 2025 zu entscheiden. In einer Vielzahl von Bewerbungen präsentierten medienpädagogische Akteur*innen ihre Projekte und Konzepte zum Thema „Digitale Identität“. Schon vor der Sitzung konnten sich die fünf Jurymitglieder durch eine digitale Befragung einen ersten Eindruck von den Projektideen verschaffen und diese auf die Erfüllung der Förderkriterien hin prüfen. Bei der Sitzung fiel die Entscheidung, welche Anträge eine Fördersumme von bis zu 4.000 Euro erhalten sollten. Ziel war es, Projekte auszuwählen, die sich auf kreative und innovative Weise mit dem Thema digitale Identität auseinandersetzen und gleichzeitig ein hohes Maß an Partizipation für Kinder und Jugendliche ermöglichen. Am Ende entschied die Jury, dass zwölf Projekte gefördert werden.
Folgende Projekte wurden durch die fünfköpfige Jury für eine Förderung ausgewählt
Mona Lisa – That’s me! (AT) (Renate Groß): Das Projekt startet analog vor den Gemälden der Alten Pinakothek. Aus Öl werden Pixel: In der vertieften Beschäftigung mit den Gemälden der Alten Meister entwickeln die Jugendlichen Fantasie-Avatare und kreieren experimentell und frei in Kleingruppen Profile dieser Avatare für Instagram. Dabei nutzen sie sowohl analoge als auch digitale Gestaltungsmittel. Die Fantasie-Profile sind die Basis für die kritische und bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Auftritt auf Social Media. Sie dienen der Reflexion des wirklichen und des digitalen Selbstbildnisses. Das Projekt findet an 5 Schulvormittagen unter der Leitung der beiden erfahrenen Tanz- und Theaterpädagoginnen Caroline Tajib Schmeer und Renate Groß sowie eines Medienexperten oder einer Medienexpertin statt.
GHOST IN THE SHELL (Susanne Mi-Son Quester): Wer bin ich, wenn ich mich im digitalen Raum bewege? Was sagt ein Portraitbild tatsächlich über eine Person aus? Und wie unterscheidet sich ein Prompt eigentlich von Poesie?
In einem mehrteiligen Workshop erforschen wir verschiedene Ausdrucksformen von Identität im digitalen Raum. Ausgehend von der Figur der Motoko Kusanagi aus dem Anime-Klassiker Ghost in the Shell, die in einem künstlichen Körper lebt und deren Persönlichkeit aus einem Datensatz besteht, versuchen wir mit analogen und digitalen Fototechniken sowie mit KI-Bildgeneratoren dem, was uns ausmacht, ein Stück näher zu kommen. Die Stationen dieser Suche werden in einem experimentellen Videoclip bei einer Abschlussveranstaltung in der Schule und bei einer Ausstellung in der Pasinger Fabrik präsentiert.
#NoFilterQuax (Stephanie Zerfaß): Das Projekt #NoFilterQuax bietet Jugendlichen die Möglichkeit, an einem interaktiven Planspiel teilzunehmen, das sich mit den Herausforderungen und Auswirkungen der digitalen Identität auseinandersetzt. Dabei werden Themen behandelt wie: Definition digitale Identität, digitaler Fußabdruck, Schutz der Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte sowie Auswirkungen der Selbstdarstellung im Netz. An zwei Wochenenden im Mai/Juni entwickeln die Teilnehmer*innen kreative Lösungen und Ansätze, um ein besseres Verständnis für ihre digitale Präsenz und deren Einfluss auf ihre Identität zu gewinnen.
Rätselspaß und Storytelling mit Zoom -Avataren (AT:AVAtheater) (Marc Haug): Zoom ermöglicht es, auf intuitive und niederschwellige Weise Gesichts-Avatare zu kreieren, die in Realtime Gesichtsmimiken und Kopfbewegungen generieren und einzublendende Hintergrundbilder oder -videos virtuelle Szenerien zu schaffen. Das ermöglicht virtuelle Interaktionen in der Gruppe. Das werden wir nutzen, um in drei aufeinander aufbauenden Workshopeinheiten: A. über Ich- und Selbstbilder zu reflektieren, B. ein Quiz- oder Rätselspiel zu entwerfen und zu spielen und C. Zoom als Bühne zu nutzen, um die Dialoge einer Story für ein Rollenspiel zu entwickeln, deren Szenen anschließend mit den Avataren als Darsteller*innen aufgezeichnet werden, damit daraus ein unterhaltsames Video gefertigt werden kann. Am Ende entsteht in einem gemeinsamen, kreativen Prozess ein Kurzfilm und eine Anleitung, diese Methode selbst in die eigene Bildungsarbeit einzubauen oder zu adaptieren.
Whoever You Want – Mit KI zum idealen Selbstbild? (Martin Rühr):In einem viertägigen Workshop entsteht mithilfe von Fotografie und digitalen KI-Tools eine online zugängliche Sammlung individueller Avatare mit Stärken und Schwächen sowie dazugehörigen Welten. Konzept, Inhalt und kreative Umsetzungen werden von den teilnehmenden Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren eigenständig entwickelt. Der Workshop befasst sich mit den Themen Perfektionismus, Identität und Selbstwahrnehmung sowie den Rahmenbedingungen, die diese beeinflussen. Dabei werden sowohl die unendlichen Möglichkeiten der virtuellen, digitalen Welt als auch die Grenzen der Realität reflektiert, um sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.
Blind Date- B&B (Hannes Hein): Ziel 1: In unserer digitalen Gesellschaft bewerten wir ständig unsere Umwelt, was auch Vorurteile hervorrufen kann. In Workshops mit zwei blinden Personen reflektieren die Teilnehmer*innen ihre analoge und digitale Identität, sowie ihre Meinungen zu Themen wie Social Media und der Oberflächlichkeit der Digitalwelt. Ziel 2: Die Teilnehmer*innen entwickeln ein selbst definiertes Videoprojekt, das sie auf sozialen Netzwerken teilen. Begegnung: Anna Garbe und Benjamin Bechtold, beide blind, zeigen in den Workshops von oofabric, wie sie ihr Leben mit dem Smartphone gestalten und den Alltag bewältigen. In der Übung „Ich bin…“ reflektieren die Teilnehmer*innen, wie sie wahrgenommen werden und dokumentieren ihre Identität.
„Digital Female Identity“- Empowerment Projekt (Joachim Scheuerer): Im Rahmen des Projekts „Digital Female Identity“ befassen sich die Teilnehmerinnen unter der Leitung der Hip-Hop-Künstlerin Taiga Trece mit dem Thema „Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung“ in der realen und digitalen Welt sowie den Schwierigkeiten im Navigieren zwischen beiden Räumen und dem Umgang mit einem Überangebot an Informationen, Influencerinnen, Fake News, Deep Fakes und KI-generierten Inhalten. Gerade junge Frauen werden extrem beeinflusst, wenn es um Körperbilder, Geschlechterrollen und Schönheitsideale geht. Außerdem ist die Frage nach Authentizität im heranwachsenden Alter besonders wichtig. Was ist echt (real), was unecht (fake), und wer bin ich in all dem Chaos? Welchen Herausforderungen begegnen (junge) Frauen heutzutage, und wie begreifen und entwickeln sie vor diesem Hintergrund ihre Identität? Dabei dient die empowerment-basierte Hip-Hop-Kultur mit ihren fünf Elementen – Rap, Musik (Djing), Graffiti, Breakdance und Knowledge (Wissen) – als Reflexionskontext zu all diesen Fragen. Die Themen Realness, Authentizität und Repräsentation waren von Beginn an essenziell für die Verhandlung von Identität im Hip-Hop und sind es bis heute.
AI Literacy Lab: digitaler Resonanzraum (Rubén Granados Hughes): Im Projekt steht die kritische Auseinandersetzung mit KI-basierten Chatbots im Vordergrund. Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren erforschen spielerisch, wie digitale Interaktionen ihr Wohlbefinden und ihre Identität beeinflussen können. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Bewusstsein für die Nutzung sensibler Daten und den Folgen der Preisgabe persönlicher Informationen. In Rollenspielen und Workshops entwickeln die Teilnehmer*innen eigene KI-Anwendungen auf No-Code-Plattformen und erarbeiten Schutzstrategien. Ziel ist es, die digitale Welt als Raum für gemeinsame Identität und Kommunikation zu gestalten und grundlegende KI-Kompetenzen zu vermitteln.
very human (Anette Henrike Gerlinde): Das Projekt fördert die Medienkompetenz von jugendlichen Schülerinnen aller Schul- und Ausbildungsformen ab 14 Jahren, denen der Zugang zu Bildung mittels Medien gesellschaftlich erschwert ist, die allerdings den Konsum von medialem Content (er)leben. Der Workshop macht diese Übergänge der eigenen Identität im realen und digitalen Raum bewusst und ermächtigt die Teilnehmerinnen, sich in vernetzten Welten zu orientieren. Er ermutigt zu Wertediskursen und zum Mitmischen in der digitalen Welt. Das Projekt sucht Teilhabegerechtigkeit für ein selbstbestimmtes und kompetentes Handeln in digitalen Kulturwelten mittels künstlerischer Praxis und nicht nur als Konsument. PUNKTMIDI und Thomas Moosburner (DJ, VJ, Performer) sind als junge Künstler*innen Gesprächs- und Austauschpersonen auf Augenhöhe.
Ciné Vélo Cité: Du, ich und Skibidi (Patrick Thomas): Der Workshop findet mit einer 6. Klasse der Städt. Wilhelm-Busch-Realschule Neuperlach statt und beschäftigt sich mit der eigenen Identität an der Schnittstelle zwischen analogen und digitalen Welten. Die Teilnehmenden gestalten ihr virtuelles Alter Ego zunächst durch handwerkliche, analoge Techniken, um dann mithilfe von KI-Programmen dieses zu digitalisieren und „lebendig“ werden zu lassen. Dabei werden Phänomene wie „Brain Rot“ und der Einfluss von Social Media auf Sprache und Jugendkultur thematisiert, beispielsweise durch das Einbeziehen und Visualisieren gehypter Jugendwörter. Weitergehend werden selbst erschaffene Requisiten eines virtuellen Alter Egos über 3D-Scan und 3D-Druck realisiert. Zum Abschluss schlüpfen die Teilnehmenden in ihre selbst…“
RecordAR – Verborgene Geschichten treffen sich im analogen und digitalen Raum (Vahan Matevosyan): In diesem Projekt erforschen in München lebende Jugendliche mit Flucht- und Migrationshintergrund ihre Identität, Erinnerungen und Geschichten, die sie geprägt haben – sowohl analog durch Lithografie als auch digital in Augmented Reality. In Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen entstehen künstlerische Werke, die digitale und analoge Medien miteinander verbinden. Die Ergebnisse werden als interaktive Installationen auf historischen Litfaßsäulen im öffentlichen Raum präsentiert. So wird Kunst niederschwellig zugänglich gemacht und regt zum Nachdenken über analoges Selbstbild und digitale Identität an. Das Projekt umfasst die analoge Erstellung der Lithografien, digitale Erweiterungen der Geschichten und die Nachbearbeitung zur öffentlichen Präsentation.
Collect, create, see(Dr. Daniel Botz):Ziel des Projektes ist es, Jugendlichen die Möglichkeit zu eröffnen, mittels VJing die eigene digitale Identität spielerisch und performativ zu reflektieren. VJing ist eine künstlerische Technik, bei der kurze Videos, Bilder, Texte und Klänge live gemischt werden und so in Echtzeit bewegte Collagen, sogenannte „Visuals“ erzeugt und auf eine Leinwand projiziert werden. Während eines dreitägigen Workshops von jeweils 4 Stunden sollen die Teenager Objekte und Elemente ihres digitalen Selbst sammeln, mithilfe von VJing-Tools aufbereiten und in einem Live-Mix vorstellen. Ergebnisse sollen als Grundlage für Besprechung und Diskussion dienen. Die Kernidee besteht darin, digitale Kreativität als Medium zur Selbstdarstellung zu nutzen.
Schwerpunktthema der Frühjahrsausschreibung 2025: „Digitale Identität“
Unsere Welt wird immer mehr von Digitalität durchdrungen. Unsere Identität bildet sich sowohl offline als auch online, und unser Denken sowie Verhalten drücken sich auch in unserem Online-Verhalten aus. Wir laden Pädagog*innen, Künstler*innen und Forscher*innen ein, modellhafte medienpädagogische Projekte zum Thema digitale Identität zu entwickeln. Wie beeinflussen soziale Medien unser Selbstbild und unser Verhalten? Welche Rolle spielen Avatare in virtuellen Welten und Spielen? Was erleben wir, wenn unsere digitale Darstellung uns gegenübersteht?
Wie beeinflusst die digitale Welt unsere körperliche Präsentation und umgekehrt. Wie verändern Technologien wie AR-Filter oder Körper-Tracking unser Selbstbild und unsere Interaktionen?
In unserer Frühjahrsausschreibung suchen wir Projekte mit kreativen Ansätzen, die gemeinsam mit Jugendlichen und Kindern ein tiefes Verständnis für ihre digitale Identität entwickeln und praktische Anwendungen in Bildung und Kulturarbeit finden.
Vergabeverfahren
Mit den Fördermitteln werden modellhafte Projekte mit Kindern und Jugendlichen im Bereich digitale Medien unterstützt. Klassische Foto- und Videoarbeit wird nicht gefördert, vielmehr sind Apps und Tools gefragt, mit denen Inhalte medial erstellt und online dargestellt werden können. Das Förderspektrum reicht von Tagesveranstaltungen bis zu längeren Projekten. Die Höchstfördersumme für einzelne Projekte beträgt 4.000 Euro. Das Einbringen von Eigenmitteln ist erwünscht, aber nicht notwendig. Infrastrukturmaßnahmen, die einer Regelförderung bedürfen, können nicht gefördert werden. Ebenso können keine Technikanschaffungen und Ausgaben für Catering oder Aufmerksamkeiten gefördert werden. Maßgabe für die Förderung ist eine Online-Dokumentation der Projekte sowie eine Abschlusspräsentation im Rahmen des Interaktiv-Medienherbstes 2024.
Förderkriterien
Die Projektauswahl trifft eine unabhängige Jury. Diese ist besetzt mit einer Vertretung des Stadtjugendamts, der jeweils nicht beteiligten Organisationsstelle, Jugendlichen und externen Fachkräften. Mit dem Förderprogramm verfolgen wir folgende Ziele:
- Die Projekte fördern die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, erproben neue Formen des Medieneinsatzes in der Bildungsarbeit und/oder regen Kinder und Jugendliche zu einem kreativen und kritischen Umgang mit Medien an.
- Die Zielgruppe der Projekte sind Kinder und Jugendliche, wobei diejenigen, denen der Zugang zu Bildung und zu Medien gesellschaftlich erschwert ist, besonders berücksichtigt werden.
- Das Einbeziehen relevanter sozialer Kontextgruppen (Familien, Peergruppen, …) in die Projekte ist wünschenswert.
- Die Projekte sind im Sinne einer geschlechtssensiblen Medienpädagogik konzipiert.
- Die Projekte sind modellhaft und werden mit Kindern und Jugendlichen entwickelt.
- Die Projekte fördern die Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
- Die Projekte bilden die Lebens- und Erfahrungswelten von Kindern und Jugendlichen ab.
Das Kooperationsprojekte-Förderprogramm wird vom Münchner Netzwerk Interaktiv im Auftrag des Stadtjugendamts der LH München koordiniert:
Organisationsstelle: Medienzentrum München des JFF
Ansprechpartnerinnen: Aida Bakhtiari, Layla Haas
TEL: +49 176 308 850 32
E-MAIL: interaktiv@jff.de